Der Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit endet mit neuen Impulsen und Netzwerken
Mit einem Höchstwert von fast 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Präsenz und vor dem Bildschirm ist derHauptstadtkongress Medizin und Gesundheitheute zu Ende gegangen. Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Kliniken, Gesundheitswirtschaft, Ärzteschaft, Pflege, der medizinischen Forschung und von Kostenträgern sind zu den drängendsten Herausforderungen im Gesundheitswesen in den Austausch getreten, und wir können mit Stolz behaupten: Es waren drei wunderbar lebendige Tage im hub27 der Messe Berlin, vollgepackt mit spannenden Diskussionen, Vorträgen und persönlichen Begegnungen, die Deutschlands Leitkongress der Gesundheitsbranche – vor allem nach der lähmenden Corona-Zeit – so besonders gemacht haben.
„Die Diskussionen auf dem Hauptstadtkongress waren in diesem Jahr ausgesprochen intensiv und erfreulich kontrovers“, resümiert Kongresspräsident Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, „es hat mich sehr gefreut, dass trotz unterschiedlicher Perspektiven der Panelteilnehmer immer auch nach gemeinsamen Lösungen gesucht wurde und neue Netzwerke entstanden sind. Denn am Ende geht es um das Wohl unserer Patientinnen und Patienten, das dürfen wir nie vergessen.“
Der dritte Kongresstag startete in der Arena mit einer brisanten Frage: „Spielt das deutsche Gesundheitssystem weiterhin in der Champions League?“ wollte Moderator Wolfgang van den Bergh wissen. DAK-Vorstand Andreas Storm: „Wir sind dort keine relevanten Player mehr, sondern liegen eher auf dem letzten oder vorletzten Platz, vor allem bei dem Thema Digitalisierung. Die Situation ist ähnlich wie in der Bundesliga, man hat mal gesagt, der HSV sei unabsteigbar, irgendwann ist er abgestiegen, und wir müssen aufpassen, dass es uns nicht genauso ergeht.“ Storm forderte zudem „Verschachtelungen im Gesundheitswesen“ aufzubrechen und die „Chance auf eine Zeitenwende“ zu nutzen.
„Wir haben nach wie vor eine gute Gesundheitsversorgung in Deutschland, aber wir haben unbestritten Probleme, vor allem mit dem Datenschutz, zu dem in anderen Ländern viel mehr möglich ist als bei uns“, so Dr. Susanne Johna, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer und 1. Vorsitzende des Marburger Bund Bundesverbandes. Die Probleme würden allerdings durch den Fachkräftemangel, vor allem in der Pflege, künftig noch zunehmen, so Johna. Eines sei klar: „Eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung geht nur mit einer ausreichenden Anzahl an gut ausgebildetem Personal. Sonst kann es nicht funktionieren.“
Die Chancen und Risiken der großen Krankenhausstrukturreform waren auf dem HSK natürlich das Top-Thema. Eine persönliche Einschätzung gab Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) in seinem Impulsvortrag am ersten Kongresstag. „Ein Bundesfinanzminister kann nicht entscheiden, wo welche Versorgung stattfindet. So wird jede Krankenhausinsolvenz zu einem Zufallsprodukt“, betonte er auf der Eröffnungsveranstaltung. „Wo welche Versorgung in Zukunft stattfindet, entscheidet allein das Land und nicht der Bund. Der Bund entscheidet über die Vergütungsreform“, von daher sei es jetzt wichtig, „um die Details zu ringen und so ein gemeinsames Gesetz mit Perspektive auf den Weg zu bringen.“ Prof. Dr. Edgar Franke (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit, bekräftigte noch einmal die Notwendigkeit von Strukturreformen, es gehe nicht darum, vor allem im ländlichen Raum Krankenhäuser flächendeckend zu schließen, sondern bedarfsnotwendige Krankenhäuser zu stärken, so dass man weg von dem ökonomischen Druck kommt.“ Franke forderte zudem die Länder auf, „bei den Investitionen etwas nachzulegen.“
Viele neue Highlights wie das Forum Spitzenmedizin, aber auch Bewährtes wie der Tag der Versicherungen, bereicherten den HSK in diesem Jahr. Hier ein nur kleiner Auszug aus unserem vielfältigen Programm:
• Gleich fünf Vorstände der großen Krankenkassen kamen zusammen, um die Reform der GKV zu erörtern. Mit dabei: Jens Martin Hoyer (AOK-Bundesverband), Dr. Jens Baas (Die Techniker), Franz Knieps (BKK Dachverband e.V.), Andreas Storm (DAK-Gesundheit), Prof. Dr. Christoph Straub (BARMER). Ein Fazit: Dass gesetzlich Versicherte künftig mehr zahlen sollten, sei eine fragwürdige Vorgehensweise. Es sei sehr viel Geld im System, aber es werde nicht nach Effizienz geschaut.
• Volles Haus bei der Verkündung der Ergebnisse des „Krankenhaus Rating Report 2023 – die Revolution?!“, die exklusiv auf dem HSK vorgestellt wurden. Prof. Dr. Boris Augurzky, RWI-Gesundheitsökonom und einer der Autoren des Reports: „Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser hat sich 2021 wieder verschlechtert.“ Sein Ausblick: 66 Prozent der Klinikbetten waren in Allgemeinkrankenhäusern ausgelastet, bei einer Zielauslastung von 85 Prozent bei fortschreitender Ambulantisierung bestünde ein Bedarf von 1.165 statt heute 1.697 Standorten.
Nur einige Zahlen, die im Publikum und auf dem Podium für Fragen sorgten.
• „Sind Pflegekräfte die neuen Ärzte?“ – der Titel der Session provozierte. „Dieser Konkurrenzgedanke führt uns nicht weiter und ist typisch deutsch. Auch die Reduzierung der Pflege auf eine rein körpernahe Tätigkeit ist einseitig, in anderen Ländern versteht man sich als Community, die sich für die Versorgung Pflegebedürftiger einsetzt“, so Dr. Bernadette Klapper, Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.V. Dr. Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg, hatte zuvor angemerkt: „Wenn sich Pflegepersonal immer weiter in Richtung Medizin qualifiziert, wer will dann noch die klassische Pflegearbeit am Menschen verrichten? Wir brauchen diese Leute!“
• Innovationen in der Onkologie, ob durch neue Therapien, Medizintechnik oder IT, beschäftigten und begeisterten die Besucher des HSK. Aber es gab auch Fragen: Sind die neuen Super-Therapien auf Dauer finanzierbar? Und: Ist es ethisch gerechtfertigt, hohe Summen aus dem Gemeinschaftstopf für die Behandlung einzelner Patienten auszugeben? „Hier kommt die Verteilungsgerechtigkeit ins Spiel“, sagt Prof. Dr. Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, „wir müssen uns damit auseinandersetzen und darüber diskutieren, wie teuer der Gesellschaft die Spritze gegen Krebs ist.“
In der Abschlussveranstaltung bat Prof. Dr. Karl Max Einhäupl junge Führungskräfte des Gesundheitswesens zum Gespräch. Und es war zu spüren, dass wir seitens der neuen Generation mit vielen neuen Ideen, Elan, aber auch Entscheidungsmut rechnen können. Der Kongresspräsident: „Ich freue mich, wenn wir uns im nächsten Jahr auf dem Hauptstadtkongress wiedersehen. Wir werden dann alle Hände voll zu tun haben, die bevorstehenden Herausforderungen anzugehen und gemeinsam Lösungen zu finden. Aber wo, wenn nicht auf dem HSK, gibt es eine Community aus Entscheiderinnen und Entscheidern, die dieser Aufgabe gewachsen wäre.“
Der nächste Hauptstadtkongress für Medizin und Gesundheit findet vom 26. bis. 28. Juni 2024 im hub27 in Berlin statt.
Wir freuen uns auf das Wiedersehen!
Mit besten Grüßen
Ihr Guido Pschollkowski
Geschäftsführer