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3 FRAGEN AN
Prof. Dr. Rebecca Palm

Leiterin der Abteilung für Pflegewissenschaft am Department für Versorgungsforschung, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 

„Pflegende müssen sich dem Wert ihrer Arbeit und Qualifikation bewusst sein“

Der Wissenschaftsrat empfahl bereits 2012 einen Akademisierungsanteil in der Pflege von bis zu 20 Prozent, bisher sind es 3 Prozent. Woran liegt es?

Die Empfehlung des Wissenschaftsrates bezieht sich auf eine Akademisierungsquote der Personen, die eine Pflegeausbildung bzw.-studium beginnen. Ein Anteil von 20 Prozent sei notwendig, um eine Verbesserung der Pflegequalität durch akademisch ausgebildetes Personal zu erreichen. Dieser Anteil ist weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Insbesondere die primärqualifizierenden Studiengänge waren in der Vergangenheit an vielen Hochschulen schlecht ausgelastet. Das lag zum einen an der hohen Belastung des Studiums, das in den vorlesungsfreien Zeiten Praxisphasen vorsieht, zum anderen an der mangelnden Finanzierungsstruktur. Die primärqualifizierenden Pflege-Studierenden haben bisher keine Ausbildungsvergütung erhalten, anders als die Auszubildenden an den Krankenpflegeschulen. Das hat der Gesetzgeber nun geändert und mit dem Pflegestudiumsstärkungsgesetz eine Vergütung des primärqualifizierenden Pflegestudiums auf den Weg gebracht. Dies sollte den Anreiz deutlich erhöhen, sich für ein solches Studium zu entscheiden.

Stichwort Empowerment: Welche positiven Signale sehen Sie für die Pflege?

Empowerment ist für die Pflege ein sehr wichtiges Konzept. Pflegende müssen sich dem Wert ihrer Arbeit und ihrer Qualifikation bewusst sein und entsprechend Entscheidungen selbstbestimmt und autonom treffen. Pflegefachpersonen sind für den Pflegeprozess verantwortlich, das ist eine ihnen per Gesetz vorbehaltene Aufgabe. Das heißt, dass sie auch alle Entscheidungen, die den Pflegeprozess betreffen, selbstständig fällen müssen. Das heißt nicht, dass sie nicht mit anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten und Entscheidungen nicht im Einklang mit ihnen treffen sollen. Aber es muss allen Beteiligten klar sein, dass Pflegefachpersonen die Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen. Es ist wichtig, dass Pflegende das auch kommunizieren und selbstbewusst auftreten. Das wird keiner für sie übernehmen. Empowerment kann ihnen dabei helfen, entsprechende Strategien zur Umsetzung zu entwickeln.

Wie kann es gelingen, die erweiterten Kompetenzen der Pflege in die Versorgungspraxis zu integrieren?

Pflegefachpersonen, die ein Bachelor- oder Masterstudium absolviert haben, verfügen über erweiterte Kompetenzen im Sinne von Fachwissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Um diese in die Praxis zu integrieren, braucht es zum einen Organisationen, die für eine Veränderung bereit sind, indem zum Beispiel neue Rollen wie die der Advanced Practice Nurse geschaffen werden. Hier müssen alle Beteiligte an einem Strang ziehen, anders wird es nicht gelingen. Eine weitere sehr wichtige Voraussetzung für die gelungene Implementierung von neuen Berufsrollen ist die klare Definition der Verantwortungs- und Aufgabenbereiche, die die neue Rolle erfüllen soll. Hier ist es unverzichtbar, Abgrenzungen zu anderen oder zur eigenen Berufsgruppe zu definieren. Pflegefachpersonen, die in neuen Rollen arbeiten, müssen zudem vor Überforderung und Überlastung geschützt werden. Eine Advanced Practice Nurse kann nicht für alles zuständig sein, was bisher vielleicht wenig Beachtung gefunden hat.

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