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3 FRAGEN AN
Dr. Robert Paquet

OBSERVER-Gesundheit

„Die Bundesländer müssen künftig mehr Verantwortung übernehmen“

Die Krankenhausreform hat gezeigt, dass klassische parteipolitische Lagergrenzen zunehmend an Bedeutung verlieren – ist der Bundesrat auf dem besten Weg, ein neuer gesundheitspolitischer Aktionsraum zu werden?

Seit der Blockadepolitik der SPD-geführten „A-Länder“ im Bundesrat in der letzten Wahlperiode unter Kanzler Kohl hat sich einiges getan. Das ist rund dreißig Jahre her. Die Föderalismusreform der Nuller-Jahre hat die Mitwirkungsbefugnisse des Bundrates bei der Bundesgesetzgebung eingeschränkt. Die Koalitionen in den Ländern sind seitdem viel bunter geworden, von den „klassischen Lagern“ kann man immer weniger reden. Außerdem haben die Länder schon immer nach ihren regionalen Interessen agiert und auch abgestimmt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang und parteipolitisch eben nicht mehr paradox: Die von Lauterbach anfangs für völlig unzureichend gehaltene Krankenhausreform in NRW wurde im Ergebnis zum Vorbild für das Bundesgesetz.

Auch das Verhältnis der Länder zueinander hat sich inzwischen geändert. Der fachliche Austausch untereinander und die Kooperation wurden intensiviert. Die ostdeutschen Länder haben zum Beispiel mehrfach – völlig ungeachtet ihrer parteipolitisch sehr unterschiedlichen Koalitionen – gemeinsame Interessen artikuliert. Minister Lauterbach ist es bei der Krankenhausreform durch sein selbstherrliches und erratisches Agieren sogar gelungen, immer wieder alle Länder gegen sich aufzubringen. Gleichzeitig drängen die Länder nach mehr Einfluss auf die Gestaltung der Versorgung und müssen künftig mehr Verantwortung übernehmen.

Im Koalitionsvertrag ist von einer „stärkeren Länderbeteiligung“ die Rede – birgt das mehr Gestaltungsspielraum für regionale Lösungen oder die Gefahr eines Flickenteppichs in der Versorgung?

Gerade im Krankenhausbereich sind die Länder bisher ihrer Verantwortung für die Investitionen und die Planung nicht gerecht geworden. Wulf Leber vom GKV-Spitzenverband hat dieses Laissez-faire zu Recht als „nachvollziehende Planung“ karikiert. Der größte Erfolg der Krankenhausreform ist nun, dass die Länder zu einer einheitlichen Begrifflichkeit (der qualitätsbestimmten Leistungsgruppen) und zu einem einheitlichen Verfahren bei der Zuweisung gezwungen werden. Sie müssen jetzt endlich – und öffentlich nachvollziehbar – Verantwortung für das Leistungsangebot jedes einzelnen Krankenhauses übernehmen. Die Erfüllung dieser Aufgabe wird schwer und schmerzhaft, birgt aber die Chance, den bestehenden Flickenteppich nach einheitlichem Muster umzugestalten. Bei unterschiedlichem regionalem Versorgungsbedarf sind jedoch regionale Lösungsvarianten sinnvoll und angemessen.

Gleichzeitig wird der Einfluss der Länder auf die ambulante Versorgung steigen. Hier wollen (und sollen) sie mehr Verantwortung übernehmen. Das betrifft die – im Reformgesetz von der Krankenhausseite her gedachte – Ambulantisierung, d.h. die (partielle) Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung und insbesondere die Bestimmung der „sektorenübergreifenden Einrichtungen“. Nach dem Koalitionsvertrag sollen die Länder auch zum Beispiel stärker an der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beteiligt werden. Ob dieses insgesamt insuffiziente System dadurch allerdings effektiver wird, darf bezweifelt werden.

Was erwarten Sie im Hinblick auf die Gemengelage von Bund und Ländern von der neuen Gesundheitsministerin?

Hier liegt eine große Chance der neuen Gesundheitsministerin, die ja bisher keiner der vielen Interessengruppen im Gesundheitswesen angehört und nicht ideologieverdächtig ist. Zu hoffen ist, dass sie fachlich kundige Mitarbeiter für die Leitungspositionen des Ministeriums gewinnt und sich bei der Einarbeitung und beim Zuhören Zeit nimmt. Statt konfrontativem Spektakel könnte es auf diese Weise eine Phase der Kooperation geben. Wir brauchen die Fortführung der Strukturreform im Krankenhausbereich. Mit Beharrlichkeit und klarem Kompass, aber keine „Revolutionen“. Wenn das BMG über die dem Krankenhaussektor zugedachten Mittel aus dem Investitionsfonds mitbestimmt, hätte die neue Ministerin dafür ein wirksames Werkzeug an der Hand.

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