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3 FRAGEN AN
Wolfgang van den Bergh

Wissenschaftlicher Leiter
Hauptstadtforum Gesundheitspolitik

„Die Lösung kann nur darin liegen, an die Strukturen heranzugehen“

Mitte Mai hat der Bund 800 Millionen Euro als Sofortmaßnahme in den Gesundheitsfonds gepumpt, um Liquiditätsreserven aufzufüllen. Weitere Zuschüsse sind im Gespräch. Immer mehr Geld im System stopft die Löcher – aber kann das auf Dauer die Lösung sein?

Nein, das kann es selbstverständlich nicht. Die Sofortmaßnahme ist Ausdruck eines kurzfristigen Notprogramms, um weitere Erhöhung der Zusatzbeiträge in diesem Jahr zu verhindern. Nach jüngsten Berechnungen haben AOK und Ersatzkassen im ersten Quartal 2025 sogar schwarze Zahlen geschrieben – etwa 1,2 Milliarden Euro. Dennoch kann von einer Entwarnung absolut keine Rede sein. Das Einnahmenplus sei auf die höheren Zusatzbeiträge zurückzuführen, argumentieren die Kassen. Die Leistungsausgaben sind wie im vergangenen Jahr weiter gestiegen: bei AOK und Ersatzkassen auf über sieben Prozent. Die Lösung kann nur darin liegen, an die Strukturen heranzugehen.

Ein GKV-Mitglied zahlt im Schnitt 740 Euro im Jahr für versicherungsfremde Leistungen, so die IKK gesund plus – das treibt die Beiträge in die Höhe. Was ist zu tun, damit Beitragsgelder wieder originär für Gesundheits- und Versorgungsleistungen verwendet werden?

Das Thema versicherungsfremde Leistungen ist ein Dauerbrenner. Dabei spielen die Kosten für die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern eine große Rolle – immerhin zehn Milliarden Euro. Hier scheint es Bewegung zu geben. Die Frage ist aber auch, was soll mit den Leistungen passieren, die, wie das BMG schreibt, „familienpolitisch motiviert oder von gesamtgesellschaftlichem Interesse“ sind? Wir reden über die beitragsfreie Mitversicherung von nicht berufstätigen oder geringfügig beschäftigten Partnern sowie Kindern. Oder über Leistungen zur Empfängnisverhütung, zur künstlichen Befruchtung und vieles mehr. Hier muss es einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs geben. Fakt ist: Die Kosten dafür übersteigen um ein Vielfaches das, was der Bund den Kassen jährlich an Steuerzuschüssen zahlt. 

3. Wie können die Kassen selbst dazu beitragen, um die desaströse Situation der Kranken- und Pflegeversicherung zu verbessern?

Ihr Handlungsspielraum ist begrenzt. Zudem wüsste ich nicht, wann sich die Kassen Reformen verweigert hätten. Im Gegenteil: Sie mahnen stets die Politik, für eine verlässliche, solidarische und nachhaltige Finanzierung zu sorgen. Klar, weniger Kassen würden geringere Verwaltungs- und Personalkosten verursachen. BKK-Chef Franz Knieps bezeichnete diese Diskussion beim HSK 2023 als „populistischen Gag“. Fürwahr: Das Einsparvolumen hält sich in Grenzen, wie die Ärzte Zeitung 2024 vorgerechnet hat. Zudem sind Kassen qua Gesetz (§ 4 SGB V) zur Ausgabendisziplin verpflichtet. Sparpotenziale sehe ich eher bei einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik, wie sie die Kassen fordern. Dazu zählen eine bessere Versorgungssteuerung und Kooperation, um die Zahl der Arztkontakte zu reduzieren. Entscheidend ist, eine gute Balance zwischen Kostendämpfung und Innovationsförderung zu finden. 

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