Scroll Top

3 FRAGEN AN
Prof. Dr. Karl Max Einhäupl

Kongresspräsident

„Die Bereitschaft aller Akteure, sich an den notwendigen Reformen zu beteiligen, hat mich überrascht."

Nach dem HSK ist vor dem HSK: Was war Ihre größte Erkenntnis, die Sie aus dem HSK 2025 für den HSK 2026 mitnehmen?

Mich hat die hohe Bereitschaft aller Akteure, sich an den notwendigen Reformen zu beteiligen und sie konstruktiv zu unterstützen, überrascht. Der sonst oft erkennbare Trend, die eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen, ist einer Einsicht in die Notwendigkeit gewichen, nur durch abgestimmtes Handeln einen Weg aus der Krise zu finden.

Das deutsche Gesundheitssystem ist stark zergliedert, was die bremsende Wirksamkeit von Partikularinteressen noch weiter verstärkt. So wurden auch dezentrale Lösungen, die einfacher durchzusetzen und umzusetzen sind, als Alternative zu einem bundeseinheitlich strukturierten Gesundheitssystem diskutiert. Auch war es eines unserer Ziele, den Blick nach Europa zu erweitern. Nicht zuletzt, um aus den Erfolgen anderer europäischer Länder zu lernen. So ist beispielsweise Österreich in der Implementierung der elektronischen Gesundheitsakte bereits um eine Dekade weiter entwickelt als Deutschland.

Die Bundesregierung kündigt den „Herbst der Reformen“ an. Wie optimistisch sind Sie, dass sich wirklich etwas zum Guten ändern wird innerhalb dieser Legislaturperiode?

Der Erfolg des Herbstes der Reformen wird maßgeblich davon abhängen, ob die Umsetzung beschlossener Gesetze und die Verabschiedung weit fortgeschrittener Gesetzgebungsprozesse ohne Verzögerung stattfindet, und nicht durch zahlreiche Ausnahmeregelungen geschwächt wird. Dies gilt insbesondere für die Krankenhausreform und die damit zusammenhängenden Reformprozesse.

Die dringliche Notwendigkeit, Prozesse und Strukturen zu verändern, wird nicht zuletzt durch die desolate finanzielle Lage der Krankenkassen deutlich. Es ist zu erwarten, dass die Kosten für Gesundheitsgüter in den vor uns liegenden Jahren deutlich steigen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig und beschränken sich nicht auf die demographische Entwicklung als Kostentreiber. Chronifizierung von Krankheiten, Zunahme von Krankheitsrisiken wie Adipositas oder Diabetes mellitus, oder auch vermehrt multiresistenter Keime werden ebenso wie neue und komplexe Behandlungsmethoden und der Trend zur personalisierten Medizin die Krankenkassen belasten. Es wird darauf ankommen, das solidarisch finanzierte deutsche Gesundheitssystem durch teilweise einschneidende Reformen zukunftsfähig zu machen.

Wo sehen Sie die Gesundheitswirtschaft aktuell besonders gefordert?

Die Gesundheitswirtschaft Deutschlands ist in der Grundlagenforschung durchaus auf Augenhöhe mit den US- amerikanischen und englischen Institutionen. Ein erkennbares Defizit besteht darin, daraus Produkte für den Gesundheitsmarkt zu entwickeln. Es gilt also, die Innovationskraft weiter auszubauen und im Transfer deutlich aufzuholen. In allen Sparten von Gesundheitsgütern hat Deutschland ein großartiges Potenzial. Hier ist auch die Politik gefordert, Hürden – insbesondere durch einen überregulierten Datenschutz – zu beseitigen und durch Förderprogramme den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu halten.

Insbesondere sollte das Fehlen einer koordinierten politischen Förderung der biomedizinischen Wissenschaft an den Universitäten und außeruniversitären staatlichen Forschungszentren durch das BMBF in der vergangenen Legislatur schnellstens überwunden werden. Dabei wird es darauf ankommen, Synergien zwischen Industrie, Wirtschaft, Start-ups und den staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen herzustellen. Dies gilt besonders für die erforderliche Aufholjagd in der Implementierung Künstlicher Intelligenz im Gesundheitssektor. Die wesentliche Grundlage zukünftiger Entwicklungen werden Daten sein, die nach klaren Regeln vom öffentlichen Sektor und dem privaten Sektor der Wirtschaft gemeinsam genutzt werden. Die Förderung einer Zusammenarbeit im Sinne einer Privat-Public-Partnership hat deshalb Priorität.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner