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Interview: Nicht Krise, sondern Lösung

„Nicht Krise, sondern Lösungen“ stehen auf dem diesjährigen HAUPTSTADTKONGRESS (HSK) Medizin und Gesundheit in Berlin im Fokus. 2023 präsentiert sich der HSK mit einem neuen Team an der Spitze des Großevents und damit auch einer neuen inhaltlichen Ausrichtung. Die Veranstalterinnen und Veranstalter wollen den HSK in diesem Jahr mit Erfolgskonzepten und Perspektiven aufwarten. 2023 könnte gesundheitspolitisch zu einem entscheidenden Jahr in der Branche werden. Doch es herrscht Skepsis gegenüber der vom Bundesgesundheitsminister versprochenen „Revolution“. Worüber sich die Akteure einig sind und was es in den Augen der HSK-Spitze braucht, um die Veränderung final anzustoßen, zeigt der vollständige Artikel:

https://www.hcm-magazin.de/nicht-krise-sondern-loesung-328428/

Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit 2023 (HSK)
Nicht Krise, sondern Lösung

Beim HSK vom 14. bis zum 16. Juni 2023 in Berlin sollen nicht Problembeschreibungen im Fokus stehen – stattdessen legen die Veranstalter den Fokus auf Lösungen, Best Practices und Perspektiven, damit der Aufbruch – und vielleicht sogar die „Revolution“ – gelingt. HCM hat nachgefragt.

Von Bianca Flachenecker

Der Hauptstadtkongress präsentiert sich 2023 mit einem neuen Team an der Spitze des Großevents (HCM berichtete unter www.hcm-magazin/HSK) und damit auch mit einer neuen inhaltlichen Ausrichtung: In diesem Jahr soll nicht die Selbstbeschäftigung und Problembeschreibung das Event prägen, vielmehr wollen die Veranstalter mit Erfolgskonzepten und Perspektiven aufwarten. 2023 könnte gesundheitspolitisch zu einem entscheidenden Jahr in der Branche werden. Doch die Akteure sind skeptisch, ob es zur vom Bundesgesundheitsminister versprochenen „Revolution“ kommt. Einigkeit herrscht darüber, dass es

  • neue Strukturen,
  • neue Finanzierungsmodelle und
  • eine stärkere Einbindung der Patienten und Patientinnen braucht.

HCM hat mit der HSK-Spitze darüber gesprochen und nachgefragt, was es braucht, um die Veränderung final anzustoßen. In den Aussagen wird klar, warum gerade der HSK „eine echte Chance bietet“, alle Interessengruppen in den Wandel einzubeziehen, wie es Kongresspräsident Prof. Karl Max Einhäupl ausdrückte.

„Wir wissen, dass wir kein Erkenntnisproblem, dafür umso mehr ein Umsetzungsproblem haben. Ebenso haben wir ein Problem in der Steuerung des Gesundheitssystems durch die föderalen Strukturen. Dabei sind unter den bekannten aktuellen Herausforderungen viele, die nur zentral, das heißt auf Bundesebene, angegangen werden können. Andere wiederum erfordern regionale Herangehensweisen. Wir sind in einer Situation, die mutige Entscheidungen braucht. Allerdings stellt sich die Frage, wer diese treffen muss. Unser Gesundheitssystem ruht auf vielen Schultern, was es schwer macht, den Konsens zu finden, wenn jede Akteursgruppe zunächst an die Sicherung des eigenen Bereiches denkt. Wir bräuchten eine konzertierte Aktion, um die „Revolution“ erfolgreich über die Bühne zu bringen. Diese wird nicht schnell umsetzbar sein, aber ich glaube, dass der Hauptstadtkongress eine echte Chance dafür bietet, das Interessengemenge zusammenzurücken.“

„Sektoren aufbrechen, transsektoral denken, neue Formen der Zusammenarbeit finden: Sorge vor Veränderungen und Angst vor Verlust nehme ich hier als die beiden wesentlichen Emotionen wahr. Bisher schien es so, dass das Festhalten am Bewährten mehr Sicherheit versprechen könnte. Dabei erleben wir aber gerade eine Zeit, in der genau dieses Festhalten das größte Risiko darstellt. Die Chancen von Veränderungen sichtbar zu machen ist der Schlüssel zum Aufbruch. Ich sehe so gute Möglichkeiten wie seit Jahrzehnten nicht mehr, dass wir wesentliche Reformschritte gemeinsam gehen können, um die klinische Versorgungssituation deutschlandweit langfristig abzusichern. Die Gesellschaft dabei mitzunehmen ist das Alleinentscheidende. Wenn wir die Menschen verlieren, gewinnen wir nichts. Mein Eindruck ist, dass die Gesellschaft gereift ist und

besser mit unbequemen Diskussionen umgehen kann und erkannt hat, dass Veränderungen notwendig sind, um Versorgung zu sichern. Wir dürfen nicht müde werden weiter zu erklären, zu überzeugen und unbequeme Fragen auszuhalten.“

„Die Strukturen in der Gesundheitswirtschaft sind sehr tradiert. Es gibt noch immer zu viele Akteure, die von diesem System profitieren. Keiner will vom Kuchen was abgeben, im Gegenteil. Aber genau das wäre notwendig. Alles müsste in Frage gestellt werden, wollte man die Sektoren aufbrechen und neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen sowie deren Finanzierung sicherstellen. Denn das bisherige Gesundheitssystem funktioniert nicht mehr hinreichend und das zukünftige Gesundheitssystem gibt es noch nicht. Wir erleben tiefgreifende Zeitenwende, die Angst macht und Unsicherheit mit sich bringt.

Wir haben viele gut ausgebildete Talente. Sie haben gerade jetzt die Chance, die Veränderungen mitzugestalten und sich aktiv in den Change-Prozess einzubringen. Wir müssen sie ernst nehmen, früh einbinden und entsprechend ihrer Talente fördern und fordern. In einer immer komplexeren Welt ist niemand alleine erfolgreich. Die Gesellschaft, also auch wir selbst können und müssen Einfluss darauf nehmen, in welchem System wir leben wollen.“

„Die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt werden die maßgeblichen Treiber sein, die Versorgungsstrukturen zusammenwachsen zu lassen. Eine Chance dazu bietet die angekündigte „Revolution“ im Klinikbereich. Bei aller Kritik an den Plänen dürfte klar sein, dass diejenigen, die sich dem Veränderungsprozess widersetzen, auf der Strecke bleiben. 2023 wird dann ein wichtiges Jahr, wenn es den gesundheitspolitischen Entscheidern im Bund und in den Ländern gelingt, tatsächlich

bis zur Sommerpause einen zustimmungsfähigen Gesetzentwurf für eine Reform der Kliniklandschaft vorzulegen. Ganz entscheidend wird sein, beim Umbau des Gesundheitssystems und dem Aufbau neuer Versorgungsstrukturen die Menschen und damit die Gesellschaft mitzunehmen. Es kommt darauf an, die richtigen Lehren insbesondere aus der Corona-Krise zu ziehen, um das System resilient zu machen. Darüber wird beim Hauptstadtkongress 2023 zu reden sein.“

„Die sich zuspitzende Krise in der Versorgung, bedingt durch Inflation, Fachkräftemangel und ökonomischen Druck hat das Potenzial, die Akteure zu ermutigen. Als Psychiaterin und Psychotherapeutin sehe ich eine solche Krisenzuspitzung als Chance, bisherige Bewältigungsstrategien, die nicht mehr funktionieren, aufzugeben, kreative Potenziale zu entwickeln und neue Wege zu gehen. Die Regierungskommission hat in ihren

Stellungnahmen wichtige Aspekte aufgenommen, die aber noch ohne nachhaltigen Ansatz zu Lösungen sind. Daher ist eine gewisse Skepsis der verkündeten „Revolution“ angemessen. In der Diskussion fehlt mir die Patientenperspektive, die Berücksichtigung von Bedarf und Bedürfnissen der Menschen sowie Patientensicherheit. Es ist absolut essenziell die Gesellschaft mitzunehmen. Transparente Kommunikation über die großartigen Möglichkeiten unseres Systems, aber auch die Begrenztheit der Ressourcen und die Notwendigkeit von Eigenverantwortung jedes Einzelnen für sich und seine Gesundheit gehören dazu.“

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