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Interview Vera Lux

Der HAUPTSTADTKONGRESS 2023 (HSK) wartet in diesem Jahr mit einer vollständig neuen Spitze auf. Darunter auch Vera Lux, die seit 2020 wissenschaftliche Leiterin des Pflegemanagementkongress ist. Im Interview mit Bianca Flachenecker, HCM-Chefredakteurin, spricht sie u.a. über die Rolle der Pflege in der Transformation des Gesundheitswesens und erklärt, warum sie endlich mehr Verantwortung braucht. Im Interview erklärt sie, warum eine klare Vision und der feste Glaube daran wichtig ist, um mutige Lösungen anzugehen und den Herausforderungen der Versorgungslandschaft zu begegnen. Zudem äußert sie sich über das Problem einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und geht im weiteren Gespräch auch auf das Thema Leadership im Health-Care-Sektor ein. Lux äußert sich außerdem skeptisch, ob die Veränderungen im Gesundheitssystem 2023 neue Rahmenbedingungen für das Gesundheitswesen in Deutschland schaffen werden. In ihren Augen werden v.a. die Patientinnen und Patienten zu wenig in die Gestaltung des zukünftigen Gesundheitssystems einbezogen. „Ist man selbst mal Patient oder Angehöriger, erkennt man, wie wenig patientenorientiert unser Gesundheitssystem ist“, betont sie im Interview. Das vollständige Interview gibt es im Link:

https://www.hcm-magazin.de/ein-gutes-team-zu-formen-ist-die-herausforderung-des-healthcare-sektors-327100/

Interview mit Vera Lux
„Ein gutes Team zu formen, ist die Herausforderung des Healthcare-Sektors“

Der Countdown zum Hauptstadtkongress 2023 (HSK) hat begonnen. In diesem Jahr wartet das Branchengroßevent mit einer vollständig neuen Spitze auf. Vera Lux ist seit 2020 wissenschaftliche Leiterin des Pflegemanagementkongresses. Im Interview mit HCM spricht sie u.a. über die Rolle der Pflege in der Transformation des Gesundheitswesens und erklärt, warum sie endlich mehr Verantwortung braucht.

Von Bianca Flachenecker

Oft ist die Rede davon, dass es mutige Lösungen braucht, um den multiplen Herausforderungen der Versorgungslandschaft zu begegnen. Was ist für Sie in diesem Zusammenhang Mut? Und wie gelingt es den Akteuren diesen zu finden?

Lux: Mut bedeutet sich auf Neues einzulassen bzw. neue Wege zu beschreiten, ohne genau zu wissen, was daraus am Ende wird. Es bedeutet auch Risiken einzugehen und Rückschläge zu verkraften und Kritik einstecken zu können. Wichtig ist eine klare Vision und den festen Glauben daran, dass diese erfolgreich ist und zum Ziel führt.

Sektoren aufbrechen, transsektoral denken, neue Formen der Zusammenarbeit finden: Warum sprechen wir noch so viel davon, anstatt loszulegen?

Lux: Die Strukturen in der Gesundheitswirtschaft sind sehr tradiert. Es gibt noch immer zu viele Akteure, die von diesem System profitieren. Keiner will vom Kuchen was abgeben, im Gegenteil. Aber genau das wäre notwendig. Alles müsste in Frage gestellt werden, wollte man die Sektoren aufbrechen und neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen sowie deren Finanzierung sicherstellen.

Mitarbeitende begeistern, empowern und halten: Warum ist das derzeit noch schwerer als bisher und welche Rolle kommt hier dem Leadership im Healthcare-Sektor zu – vielleicht auch jenseits des Fachkräftemangels?

Lux: Das Gesundheitssystem ist im Umbruch! Das bisherige Gesundheitssystem funktioniert nicht mehr, das zukünftige Gesundheitssystem gibt es noch nicht. Auch hier erleben wir eine tiefgreifende Zeitenwende, die Angst macht und Unsicherheit mit sich bringt. Wir haben viele gut ausgebildete Talente, die im alten Gesundheitssystem nicht mehr arbeiten wollen. Aber gerade jetzt besteht die Chance die Veränderungen mitzugestalten und sich aktiv in den Change – Prozess einzubringen. Dazu braucht es Menschen, die vorausgehen und neue Wege beschreiten, die begeistern können und so Vorbild sind für junge Talente und den Nachwuchs.  Wir müssen sie ernst nehmen, früh einbinden und entsprechend ihrer Talente fördern und fordern. In einer immer komplexeren Welt ist niemand alleine erfolgreich, es braucht ein Team mit all seinen Fähigkeiten und Kompetenzen. Ein gutes Team zu formen, aus jedem einzelnen die Stärken hervorzuheben, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, dass ist die Herausforderung im Healthcare-Sektor.

Wird 2023 die Grundlage einer neuen Versorgungsstruktur für Deutschland geschaffen?

Lux: Ich bin skeptisch. Noch ist es mehr ein Rumdoktern an einzelnen Problemen und Baustellen. Das große Ganze kann ich (noch) nicht erkennen.

„Ist man selbst mal Patient oder Angehöriger, erkennt man, wie wenig patientenorientiert unser Gesundheitssystem ist.“

Vera Lux

Bei all den Diskussionen um Krankenhausreform, Abrechnungsdebatten, Personalbemessung, Digitalisierung und Co: Geht es ausreichend um die Patientinnen und Patienten – also den Faktor Mensch oder zu sehr um das System?

Lux: Über die Patientenorientierung, ich sagt es bereits, wir sehr viel gesprochen und deren Bedeutung permanent hervorgehoben. Ist man aber selbst mal Patient oder Angehöriger, erkennt man, wie wenig patientenorientiert unser Gesundheitssystem ist. Hier ist noch sehr viel zu tun. Die Beteiligung von Patientenvertretern bei der Gestaltung des zukünftigen Gesundheitssystems wäre ein erster Schritt deren Bedürfnisse besser zu kennen und zu berücksichtigen. Doch es gibt auch gute Beispiele, die uns vormachen, wie es geht.

Welchen Wunsch haben Sie an die Entscheidungsträgerinnen und -träger aus der Perspektive Ihres Fachbereichs für 2023?

Lux: Der Pflege müssen mehr Kompetenzen übertragen werden, und zwar in Form von Substitution. Damit verbunden ist die Übernahme von mehr Verantwortung und Autonomie für die Pflegefachpersonen. Hierfür braucht es die gesetzliche Anerkennung des Pflegeberufs als Heilberuf. Die Pflegebudgets müssen zügig verhandelt und die Ist-Pflegepersonalkosten von den Kassen akzeptiert werden. Mit dem KHEntgG sind die Vorgaben neu gefasst, nun müssen diese umgesetzt werden. Die PPR 2.0 muss implementiert und dann nicht bei jeder Gelegenheit wieder ausgesetzt werden! Darüber hinaus muss geklärt werden, wie der Skill- und Grademix bei der PPR 2.0 aussieht. Es geht also nicht nur um die Quantität des Personals, sondern auch um deren Qualifikation.

Es braucht eine bessere Vergütung für den Pflegeberuf, v.a. auch finanzielle Differenzierung für Weiterbildungen und Pflegestudium, ansonsten gibt es keinen Anreiz sich zu qualifizieren. Wir benötigen bundesweit Institute für Pflegeforschung und mehr Pflegeprofessuren. Hier müssen sich die Universitäten bekennen und engagieren und diesen Markt nicht den privaten Hochschulen alleine überlassen.  Es braucht dringend eine bundeseinheitliche zweijährige generalistisch ausgerichtete Pflegeassistenzausbildung. Dies ist die Basis für alle bundesweiten Anschlussqualifizierungen im Pflegeberuf.

„Pflege benötig in allen Bundesländern eine starke Selbstverwaltung in Form von Pflegekammern.“

Vera Lux

Welchen Wunsch haben Sie gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und der Gesundheitspolitik auf Bund- und Landesebene für das neue Jahr?

Lux: Pflege benötigt in allen Bundesländern eine starke Selbstverwaltung in Form von Pflegekammern. Hierzu müssen sich die Länder bekennen und diese Entwicklung aktiv fördern, so wie es in NRW geschehen ist. Ebenso braucht es eine Bundespflegekammer. Versprechungen aus den Koalitionsverträgen (Bund wie Länder) müssen Taten folgen. Bei der Gestaltung der pflegerischen Versorgung und des Gesundheitssystems ist die Pflege als ernstzunehmender Verhandlungspartner zu beteiligen. Pflege kann wesentlich mehr Verantwortung übernehmen, wenn man sie dann lässt. Einzig und allein die Politik kann die Rahmenbedingungen dafür schaffen.

Wie kann es gelingen bei all den Überlegungen die Gesellschaft mitzunehmen und wie relevant erachten Sie das?

Lux: Ich halte es für äußerst relevant. Wir werden immer älter und die medizinischen und technischen Möglichkeiten machen heute auch in hohem Alter vieles möglich. Damit steigt das Risiko pflegebedürftig und Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel stellen uns dabei vor enorme Herausforderungen. Die Gesellschaft muss also ein großes Interesse daran haben, möglichst lange gesund und selbstbestimmt zu bleiben. Wichtig sind daher Prävention, Bewegung und gesunde Ernährung. Gesundheitskompetenz muss bereits in der Schule und lebenslang einen hohen Stellenwert erhalten. Eigenverantwortung, Vorsorge fürs Alter sowie Vorsorgevollmachten sind von Bedeutung, um in Würde alt bzw. gepflegt zu werden. Die Gesellschaft, also wir selbst, können und müssen Einfluss darauf nehmen, in welchem System wir leben wollen.

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